Drittverwendungsfähigkeit von Investmentimmobilien
Die Drittverwendungsfähigkeit wirkt sich direkt auf das Zusammenspiel von Rendite und Risiko aus, sowohl bei Immobilien-Investoren als auch bei Kreditinstituten.
Inhalt:
1. Ein persönlicher Rückblick in die Vergangenheit
2. Versuch einer Definition
3. Zwei Beispiele am Anfang und Ende der Skala
4. Der Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko
5. Drittverwendungsfähigkeit aus Investorensicht
6. Drittverwendungsfähigkeit aus Verkäufersicht
1. Ein persönlicher Rückblick in die Vergangenheit
Als ich am 01. Februar 1992 nach meinem BWL-Studium den ersten Arbeitstag in einer Immobilien-Leasinggesellschaft antrat, wurde ich als erstes mit dem Begriff „Drittverwendungsfähigkeit“ konfrontiert.
Nachvollziehbar, denn im Immobilien-Leasing gibt es zum Ende der Leasingvertragslaufzeit für den Leasingnehmer i.d.R. ein Ankaufsrecht, so dass bei Nichtausübung eine Verwertung (Verkauf und/oder Vermietung) des Objektes ansteht.
Allerdings muss ich gestehen, der Drittverwendungsfähigkeit anfänglich nicht die Bedeutung beigemessen zu haben, die ihr eigentlich gebührt. Das änderte sich schlagartig, als ich 1994 erstmalig in die Verwertung einer Gewerbeimmobilie eingebunden wurde und die damit verbundenen Herausforderungen kennen gelernt habe. Seitdem ist sie für mich ein zentraler Begriff bei der Beurteilung von Immobilien(investments).
2. Versuch einer Definition
Drittverwendungsfähigkeit ist die langfristige Nutzbarkeit einer Immobilie auf Basis nachhaltiger Mieterträge. Dabei kommt die Attraktivität deren spezifischer Merkmale und Eigenschaften zum Tragen.
Im Vordergrund steht die dauerhaft ausreichende Anzahl potenzieller Nutzer, aber auch die Frage, ob die Immobilie bei Bedarf unter Beachtung wirtschaftlicher Tragfähigkeit einer anderen Nutzung zugeführt werden kann.
3. Zwei Beispiele am Anfang und Ende der Skala
Um die unterschiedlichen Ausprägungen zu verdeutlichen, stelle man sich auf der einen Seite eine Wohnanlage in sehr gutem Zustand mit nachgefragten Grundrissen in sehr guter Lage einer Metropolstadt vor. Auf der anderen Seite der Skala befindet sich eine ältere Gewerbeimmobilie mit Instandhaltungsstau in mäßiger Lage, die dazu noch auf die spezifischen Bedürfnisse und Abläufe des Mieters ausgerichtet ist.
Während die Wohnanlage bei Mieterwechseln eine sehr hohe Nachfrage bei gleichzeitig positiver Mietentwicklung erzielen dürfte, sieht es bei der besagten Gewerbeimmobilie mit hoher Wahrscheinlichkeit eher so aus, dass man sich im Falle einer Neuvermietung auf längere Leerstände einstellen muss. Zudem sind Instandhaltungen, meist auch Umbauten oder sonstige Anpassungen erforderlich, um die Immobilie überhaupt für andere Nutzer interessant zu machen. Dazu kann zusätzlich eine Mietreduktion erforderlich sein, sofern die ursprünglichen Mieten sich bereits im oberen Bereich oder darüber hinaus (over rent) bewegt haben.
4. Der Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko
Aus den vorgenannten Beispielen ergeben sich völlig unterschiedliche Rendite-Risiko-Profile, so dass die Drittverwendungsfähigkeit bei Immobilien-Investoren ein maßgebliches Investmentkriterium ist.
Denn für die Sicherheit der Wohnanlage nehmen die darauf ausgerichteten Investoren eine sehr geringe Brutto- bzw. Netto-Anfangsrendite in Kauf.
Bei der Gewerbeimmobilie erwarten die hierauf spezialisierten Investoren verständlicherweise entsprechend hohe Brutto- bzw. Netto-Anfangsrenditen, und das völlig zu Recht. Natürlich spielen auch weitere Investmentkriterien wie z.B. Mieterbonität und Mietvertragslaufzeiten eine Rolle, aber die Tendenz wird klar.
Völlig verständlich ist somit auch, dass Kreditinstitute bei Konditionierung und Beleihungsauslauf von Immobilienfinanzierungen differenziert vorgehen (müssen). Denn im Falle unserer beispielhaften Gewerbeimmobilie trägt auch das Kreditinstitut ein deutlich erhöhtes Risiko, was im Falle eines leistungsgestörten Kredits und der damit ggf. verbundenen Immobilienverwertung (Workout) durch freihändigen Verkauf bzw. Zwangsversteigerung erst so richtig ans Tageslicht kommt.
5. Drittverwendungsfähigkeit aus Investorensicht
Während professionelle Investoren ihr gesetztes Rendite-Risiko-Profil beim Ankauf von Immobilieninvestments meist genau einschätzen können, sieht dies bei privaten Kapitalanlegern mit wenig Erfahrung häufig anders aus.
Immobilieninvestments mit geringer Drittverwendungsfähigkeit, die gleichzeitig (insbesondere aufgrund der massiven Preissteigerungen der letzten Jahre) mit geringen Brutto- bzw. Netto-Anfangsrenditen aufwarten, aber nach dem Motto „Auf dem Sparbuch bekommen Sie ja gar nichts“ beworben und verkauft werden, kommt die Abrechnung und das böse Erwachen dann möglicherweise später im Falle eines Verkaufs, wenn dieser nur zu einem Kaufpreis möglich ist, der deutlich unter dem eigenen Einstand liegt (z.B. im Falle eines Leerstands).
Aus der ursprünglich erhofften Wertsteigerung ist dann ein Wertverlust geworden. So kann dann unter Umständen aus einer – wenn auch geringen -, aber positiven Brutto- bzw. Netto-Anfangsrendite eine negative Gesamtrendite, z.B. nach der IRR-Methode (Internal Rate of Return bzw. deutsch: Interne Zinsfußmethode) herauskommen.
Dann wäre vielleicht sogar das Sparbuch besser gewesen.
Private Kapitalanleger mit wenig Erfahrung sind somit gut beraten, Immobilieninvestments vor einem Kauf äußerst kritisch zu hinterfragen und fachkundige Personen ihres Vertrauens hinzu zu ziehen.
6. Drittverwendungsfähigkeit aus Verkäufersicht
Auch für Immobilieneigentümer, die Verkaufsabsichten hegen, kann ein frühzeitiger kritischer Blick auf die Drittverwendungsfähigkeit und das Rendite-Risiko-Profil potenzieller Investoren sehr hilfreich sein, um das eigene Angebot marktkonform zu gestalten.
Die Praxis sieht jedoch häufig so aus, dass Objekte mit geringer Drittverwendungsfähigkeit (z.B. unsere o.g. Beispiel-Gewerbeimmobilie) zu unrealistischen Kaufpreisforderungen angeboten werden und die Verwunderung dann hoch ist, wenn nach ein oder zwei Jahren immer noch kein ernsthafter Kaufinteressent vorhanden ist.
Auch für Projektentwickler und Bauträger ist neben der anfänglichen Zielgruppenanalyse für Verkauf (und ggf. Vermietung) ein Blick auf die Drittverwendungsfähigkeit unerlässlich, da dies bereits in der Vermarktungsphase positive Auswirkungen haben dürfte. So kann z.B. die Drittverwendungsfähigkeit einer Wohnanlage deutlich gesteigert werden, wenn mit Blick auf die Zukunft eine ausreichende Zahl an Ladestationen für E-Autos und gesicherten Stellplätzen für E-Bikes berücksichtigt wird.