Kaufpreisfaktor und Brutto-Anfangsrendite – Sinnvolle Kennzahlen?
Die Begriffe „Kaufpreisfaktor“ und „Brutto-Anfangsrendite“ sind beim Verkauf und Kauf von Investmentimmobilien alltäglich. Sind sie trotz ihrer Schwächen dennoch sinnvoll?
Inhalt:
1. „Die Kennzahlen“ der Immobilien-Branche
2. Abgrenzung zu verwandten Kennzahlen
3. Das sind die Schwächen …
4. Trotzdem sinnvoll?
1. „Die Kennzahlen“ der Immobilienbranche
Der Faktor ist eine Kennzahl, die einem beim Verkauf oder Kauf von Investmentimmobilien regelmäßig begegnet. Aussagen wie „Wir kaufen bis zum Faktor X.“, „Wir verkaufen nicht unter Faktor X.“ oder „Der Faktor X ist zu hoch.“ sind in der Branche an der Tagesordnung.
Mit Faktor ist natürlich der Kaufpreisfaktor gemeint, der sich aus dem Verhältnis des (angedachten) Kaufpreises zur Jahres-Nettomiete (Ist) ableitet. Andere dafür kursierende Begriffe sind z.B. Multiplikator oder Vervielfältiger. Korrekt im Sinne der immobilienwirtschaftlichen Investitions- und Finanzierungslehre heißt die Kennzahl Brutto-Multiplikator. Dieser Begriff soll deshalb die Grundlage für die weiteren Ausführungen darstellen.
Aus dem Kehrwert des Brutto-Multiplikators ermittelt sich eine nicht weniger bekannte Kennzahl, die Brutto-Anfangsrendite. Argumente für oder gegen diese Kennzahlen gelten aufgrund der gleichen mathematischen Grundlage folglich analog.
2. Abgrenzung zu verwandten Kennzahlen
Während Brutto-Multiplikator und Brutto-Anfangsrendite sich auf die Jahres-Nettomiete (Ist) beziehen, ist beim Brutto-Soll-Multiplikator und bei der Brutto-Sollrendite die Jahres-Nettomiete (Soll) maßgeblich. Ist die Immobilie vollvermietet, erübrigen sich die beiden letzten Kennzahlen.
In der täglichen Praxis seltener anzutreffen sind die Kennzahlen Netto-Multiplikator und Netto-Anfangsrendite. Hier wird der Kaufpreis um die Erwerbsnebenkosten (i.d.R. Grunderwerbsteuer, Notar- und Gerichtskosten, Maklerprovision) ergänzt und die Jahres-Nettomiete (Ist) um die nicht umlagefähigen Bewirtschaftungskosten reduziert. Analog ergeben sich dann bei Berücksichtigung der Jahres-Nettomiete (Soll) die Kennzahlen Netto-Sollmultiplikator und Netto-Sollrendite. Auch hier erübrigen sich die beiden letzten Kennzahlen bei bestehender Vollvermietung der Immobilie.
3. Das sind die Schwächen …
… des Brutto-Multiplikators und der Brutto-Anfangsrendite:
- Es handelt sich um rein statische Kennzahlen, die lediglich die Situation im Zeitpunkt des Kaufes beschreiben. Dynamische Prozesse im Zeitverlauf wie z. B. Mietentwicklung und Wertentwicklung der Immobilie werden nicht berücksichtigt.
- Die Kennzahlen haben wenig Aussagekraft, wenn keine weiteren Informationen über die Vermietungssituation, den Instandhaltungszustand und andere wichtige Parameter vorliegen.
- Geht man von der grundlegenden Renditedefinition aus, die den Gewinn in Relation zum eingesetzten Kapital setzt, so stellt man schnell fest, dass die Brutto-Anfangsrendite nicht als Maßstab für eine fundierte Renditeermittlung geeignet ist. Nicht selten wird in der Praxis jedoch der Begriff Rendite mit Brutto-Anfangsrendite gleichgesetzt. Hier gibt die oben genannte Netto-Anfangsrendite schon ein etwas präziseres Bild ab, da Erwerbsnebenkosten und nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten nun mal tatsächlich anfallen. Doch die fehlende Berücksichtigung von Mietentwicklungen, Wertentwicklungen der Immobilie, der Finanzierungsstruktur (Leverage-Effekt) und der individuellen steuerlichen Gegebenheiten des Investors zeigen schnell auch deren Grenzen auf. Hier eignen sich finanzmathematische Methoden wie der interne Zinsfuß (IRR – Internal Rate of Return) oder vollständige Finanzpläne mit Simulation von Worst- und Best-Case-Korridoren deutlich besser.
Die Schwächen dieser statischen Kennzahlen als Renditegrößen werden deutlich, wenn z.B. eine Betreiberimmobilie zur Disposition steht, die zunächst mit einer attraktiven Brutto-Anfangsrendite aufwartet, durch eine eingeschränkte Drittverwendungsfähigkeit aber davon auszugehen ist, dass kurz vor oder mit Auslaufen des Pachtvertrages bei einem Verkauf nur noch ein Bruchteil des ursprünglichen Kaufpreises erzielbar ist. Mit der ursprünglich ermittelten Brutto-Anfangsrendite hat die tatsächliche Gesamtrendite der Immobilie dann nicht mehr viel gemeinsam.
4. Trotzdem sinnvoll?
Trotz der vorgenannten Kritik haben die beiden Kennzahlen in der Praxis gerade durch ihre Einfachheit ihre volle Berechtigung. Sie stellen einen ersten Indikator dar, ob eine Investmentimmobilie in der jeweils aktuellen Marktsituation im Vergleich zu anderen Objekten günstig, fair oder (zu) teuer angesetzt ist.
Die Akteure der Immobilienbranche haben dabei im Blick, dass je nach Standort, Immobiliensegment, Immobilienart, Mieterstruktur etc. andere Vergleichsmaßstäbe für die Kennzahlen gelten, so dass nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden.
Gleichwohl muss betont werden, dass aus Investorensicht der Zweck dieser Kennzahlen mit dem Einsatz zu Voranalysen erschöpft ist. Für weitere Prüfungen sollte in jedem Fall auf verfeinerte Analysemethoden zurückgegriffen werden, die sämtliche relevanten Parameter berücksichtigen.